„Ruinenschleicher und Schachterleis“ – Dokumentarfilm

München nach dem Krieg: Ergreifende Erinnerungen über Kindheit in den Nachkriegsjahren

Drei Menschen finden sich bei einer Fortbildungsveranstaltung für den Münchner Kulturführerschein: Michael von Ferrari, Angelika Wimbauer

Foto: Bibiane Wimbauer

und Lutz Eigel. Sie eint die Liebe zum Film und zu ihrer Stadt München. Nach drei Jahren intensiver Arbeit, mit viel Idealismus, der Unterstützung von Filmprofis, zahlreichen Geldgebenden und vor allen Dingen 28 Zeitzeuginnen und –zeugen haben die drei ein gemeinsames Projekt verwirklicht: einen außergewöhnlichen Non-Profit-Film, der ein Portrait der Nachkriegsgeneration und dieser so wichtigen Epoche der Stadt mit einer Mischung aus Interview-Sequenzen, Fotos und Original-Filmausschnitten von 1945 bis 1960 zeigt. Aus mehr als 50 Stunden Videomaterial mit Interviews entstand eine einstündige Dokumentation, die eindrücklich das Lebensgefühl der damaligen Kinder und Jugendlichen jener Zeit wiederspiegelt – einer Zeit kurz nach dem Krieg in einer in Trümmern liegenden Stadt.

Foto: Privat

Schauspieler Udo Wachtveitl (Tatort-Kommissar Franz Leitmayr) verbindet als Sprecher die Interviewsequenzen. Über die Hälfte der Gebäude war zerstört, ebenso Straßen, Bahngleise oder Fabriken. Vor allem im Zentrum türmten sich meterhohe Schuttberge. Es herrschte eine bittere Wohnungsnot, Familien lebten, kochten und schliefen in ein oder zwei Zimmern. Bäder gab es nicht, heißes Wasser für das wöchentliche Bad in der Zinkwanne kam aus dem „Grandl“, dem Wassertank im Kohlenherd. Der Hunger war ein täglicher Begleiter, Lebensmittel waren knapp, der Schwarzhandel blühte – die Zukunft war ungewiss. Von Ferrari, Wimbauer und Eigel spüren nach, wie diese Zeit von Kindern und Jugendlichen erlebt wurde. Was prägte ihren Alltag? Haben sie die Amerikaner als Besatzer oder als Befreier wahrgenommen? Die Gesprächspartnerinnen und -partner von Michael von Ferrari schildern ergreifend mit welchen Gefühlen, Hoffnungen und Träumen sie das aufkeimende Wirtschaftswunder und die junge Demokratie erlebten. Und auch, wie man damals mit den Schatten der Vergangenheit umging. Die 28 Frauen und Männer, die meisten echte Münchner Kindl, erzählen von ihrer Kinder- und Jugendzeit: vom Überleben, von Entbehrungen und Prügelstrafen, von strengen Regeln daheim und der großen Freiheit draußen. Von Schulen ohne Bücher. Von der „Schiebewurst“ und der ersten Schokolade. Sie berichten aber auch vom rasanten Wiederaufbau der Stadt, ihrem Aufstieg, den sie erlebt und mitgestaltet haben. Vom ersten kollektiven Ramadama und dem Wiederaufbauverein Alter Peter, von der Sehnsucht nach Sicherheit und einer heilen Welt nach den schlimmen Kriegsjahren und der Nazi-Diktatur. Die Gelegenheit, mit in die Erinnerungen der Kinder der 50-er-Jahre einzutauchen und Regisseur Michael von Ferrari und einen Zeitzeugen persönlich kennenzulernen, bietet sich am Sonntag, 09. Juni 2024 um 19 Uhr. Der Film „Ruinenschleicher und Schachterleis“ wird im Rahmen Stadtteilwoche Trudering-Riem gezeigt.